Arnulf Rating, Wandertheater auf neuen Wegen: Die Drei Tornados

in: Michael Baumgarten, Wilfried Schulz (Hrsg.), Die Freiheit wächst auf keinem Baum, Seite 190-221, Berlin 1979 (Medusa)

Biographische Notizen (Seite 8):

Jochen Krank: Geb. 1948 als Sohn eines Gasablesers. Lehre. Musiker bei der Frankfurter Unterhaltungsmusikgruppe Shatters. Seit Anfang der 70er Jahre Studium der Philosophie (Schwerpunkt: Hegel, Marx). Heute Taxifahrer in Berlin und Tornado. Mitarbeit an der ersten Tornado-Platte.

Arnulf Rating: Geb. 1951. Aufgewachsen in einem durchschnittlich bürgerlichen Haushalt mit geradlinigem Weg zum Abitur. Studienversuche in Mathematik, Physik, Philosophie. Seit 1972 hauptsächlich sogenanntes Studium der Theaterwissenschaft. In konsequenter Umkehrung der gesellschaftlichen Rollenverteilung als Hausmann in Berlin tätig: ein Kind, Frau arbeitet. Mitwirkender bei den Drei Tornados und an der zweiten Tornado-Platte (gerade erschienen).

Günter Thews: Geb. 1945 als Sohn eines Spirituosenkaufmanns. Nach anfänglichen Erfolgen als Einzelhandelskaufmann im evangelischen Internat zum Abitur geführt. Abschluß des Studium der Theaterwissenschaft und der Theologie mit einer Arbeit über das Ohnsorg-Theater. Gelegenheitsarbeiter als Regieassistent beim Fernsehen und Tornado. Lebt in Berlin und Hamburg. Mitarbeit an der dritten Tornado-Platte?

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(S.190) Wandertheater auf neuen Wegen:
Die Drei Tornados

Von Arnulf Rating

Ein Augenzeuge berichtet

Mein schönstes Tornadoerlebnis:

Seltsam! Wo immer die Drei Tornados auch auftreten, sie treffen nie auf ein Publikum, dem sie vollkommen fremd sind. Jedesmal sind darunter Zuschauer, die sie schon einmal woanders erlebt haben, oder denen von jemand anderem gesagt wurde, daß jemand sie einmal woanders hat spielen sehen. Derlei Empfehlungen sind meist verläßlichere Multiplikatoren als heftig gerührte Werbetrommeln und Plakatkampagnen.

Im Unterschied zum landläufigen Metereologieverständnis wüten diese Tornados auch nicht über Deutschland, sondern unter Deutschland. Nur da entfalten sie ihre volle Würze und Blumigkeit, denn in Unter-Deutschland lebt ein anderer Rhythmus, eine andere Kultur und eine andere Kommunikation, von der in Über-Deutschland kein niemand nicht was ahnt. Das ist auch besser so. Die gegenkulturelle Identität steht und fällt mit der unter-deutschen Gärhefe, dem Sumpf aus 1001 Politik, wo die haarsträubende Komik der Tornados immer ein Austausch über die eigene Sache, die eigene Verbiesterung, die eigene Absurdität ist - und keine Lachsalven-Mechanik aus einem entfernten Witzland.

In Frankfurt z. B. gibt es das Strandcafé, gemütlich, spontaneistisch und gesprächig. Da geht doch auf einen Schlag die Türe auf und herein tritt ein Tornado nach dem anderen mit einem K nach dem anderen: Koffer, Knarre und Kwetsche (Auweh). Danach geht die Türe zum Strandcafé immer nur dann wieder auf, wenn neue Leute hereinstapfen - raus will kein Mensch mehr; sprich: es wird rappelvoll. In Unter-Deutschland besteht ein Heißhunger nach politischer Clownerie und Groteske, das merken wir daran, daß auch höchst peinliche und schindludrige Kulturansätze dort warm empfangen werden. Aber daß die Drei Tornados tatsächlich das sind, wonach so viele sich sehnen, begreifen auch die Unkritischen. Im Strandcafé verwandelt sich ein kleines Hinterzimmer mit offenerDurchgangstür im Nu zu einer Guckkastenbühne. Der vorherrschende sanfte und wattige Gesprächsstrom im Café bekommt (S.191) auf einmal laute, freche Töne, rote Bäckchen und lachende Zähne. Erwartet und angekündigt war nichts - desto deutlicher wird der unverhoffte Stimmungswechsel spürbar. Da stehen sie nun, inmitten des Türrahmens und füllen ihn furios und revolutionär mit ihrer Hollywood-Partisanen-Revue.

Sie suhlen sich im spontaneistischen Alltag mit all seinen verfänglichen Winkelzügen und ziehen ihn dabei unverfroren und dickfellig durch den bürgerlichsten Tingeltangel-Kitsch, ohne mit der Wimper zu zucken. Zehn Zentimeter davor fängt das Publikum an und platzt vor Gelächter. Das einzigartige daran ist, daß die Tornados bei all ihrem bärbeißigen Klamauk keine Miene verziehen, auch bei dem größten Gelächter sich nicht von ihren Rollen distanzieren, sondern konsequent ihr skurriles Theater-Ich behalten. Die Zuschauer werden gerade durch diese bruchlose Ausmalung der Szenen in die Lage versetzt, sich hineinzuleben und zu assozieren, sie brauchen nicht zu befürchten, mit links-aufklärerischer Publikumseinbeziehung belästigt zu werden. Der wüste, freie Traum wird mit allen Registern ausfabuliert und nicht laufend mit sozialpathetischem Bekennertum an seine global-politische Unwirksamkeit erinnert. Diese Erlaubnis zum öffentlichen Herumträumen wird uns oft genug verwehrt, nicht zuletzt von den eigenen Ansprüchen. Die Tornados setzen dagegen ihre gewitzte und exakte Flipper-Schau und siehe, es klappt! Das Tageszeitungslied, die Revolution in zwei alternativen Varianten, der Männerbesuch im Frauenzentrum - in kurzen Sketchen ist auf einmal ironisch präsent, was gemeinhin schwerfällig und dröhnend in Köpfen und Diskussionen kreist.

Das Strandcafé erscheint plötzlich als das, was es immer vor hat zu sein, weswegen viele Leute solche Treffpunkte aufsuchen und in der Regel durch sich und andere enttäuscht werden. Aber bevor die Drei Tornados auch an dem täglichen Prozeß von Enttäuschungen und Verbiesterung teilhaben, müßten sie erstmal ganz furchtbar schlecht werden.

Wehe, wenn! Ich wäre persönlich sauer. (Micky Remann)

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(S.192) Die Drei Tornados - Ein Volkstheater?

Wie auch immer es zustandegekommen ist, ausgerechnet die Drei Tornados als bundesrepublikanisches Beispiel eines Theaterkollektivs in diesem Zusammenhang aufzuführen: man soll nicht glauben, hier handle es sich um eine zwingende Auswahllogik.

Würden wir doch selber an dieser Stelle lieber das Theater der Trude Herr in Köln behandelt wissen (vergleiche dazu das leider - und sicher nicht untypisch ziemlich überheblich geführte Gespräch von Klaus Kreimeier in der Zeitschrift Spuren, Heft 4, 1978), so wird allein durch den Fetisch einer irgendwie gearteten künstlerischen Ambitioniertheit der Blick für kulturelle Alternativen im Theaterbereich allzuoft auf ein Spektrum zwischen Gruppen wie Rote Rübe, Zentrifuge, Theatermanufaktur eingeengt. Während Theateraktivitäten im Bereich von Bürgerinitiativen in linksfeuilletonistischen Publikationen noch kaum zur Kenntnis genommen werden - hier wäre Kritik und Erfahrungsvermittlung unbedingt zu fördern - werden die Entwicklungsmöglichkeiten neuer, kritischer Theaterarbeit nur für den Kreis von Gruppen aufgegriffen, die auch einem bürgerlichen Kunstanspruch genügen.

(S.193) Die Drei Tornados zählen sich hier nicht zu. Die Nähe zum nie ganz kunstwürdigen Kabarett, der Kleinkunst (!), bewahrt sie davor. Die Tornados sind auch kein Volkstheater im Sinn der in diesem Buch angeführten Bcispiele.

Worauf zielt die Verbindung der Begriffe Freie Gruppen und Volkstheater? Sie ist schlichtweg Symptom einer Sehnsucht: systemkritische, linke, alternative Kulturpraktiker und besonders Theoretiker wünschen die Volkstümlichkeit ihrer artifiziellen Werke herbei, fordern sich gegenseitig auf, das Linke Ghetto zu verlassen. Wer will hier dem Volk ein Volkstheater bescheren?

Die Drei Tornados bekennen sich zum Linken Ghetto. Gerade weil das sogenannte Linke Ghetto ein von der bürgerlichen Offentlichkeit lanciertes Schlagwort ist, um jedwede konkrete Befreiung vom legitimierten Lebenswandel ins Abseits zu drängen und zu unterdrücken. Die Drei Tornados sind ein Bestandteil dieser Gesellschaft. Im Umkehrschritt fordern sie dazu auf, dem bürgerlichen Ghetto den Rücken zu kehren. Dem eigenen Anspruch nach sowie im Rückblick auf ihre zweijährige Tätigkeit und im Zusammenhang mit der in diesem Buch geführten Diskussion sind sie ein Volkstheater der linken Gegenkultur.

Die Drei Tornados, das sind drei heruntergekommene junge Herren kurz vor dem Rand der midlife-crisis, mit drei Koffern voller Sperrmüll, zwei Akkordeons, in einem schrottreifen Kombinationskraftwagen an Wochenenden den deutschsprachigen Kulturraum des realexistierenden Kapitalismus bereisend, um gegen Gagen zwischen Null und Achthundert DM auf die Freiheitlich-Demokratische-Grundordnung zu treten. Die Kulissen ihres Spiels sind die Wohnknäste der Städte, ist der Beton der Bildungsfabriken, die Romantik des Bierdunstes von Kneipen. Sie sind und machen in jedem Sinn des Wortes ein armes Theater (allerdings nicht im Sinne Grotowskis). Ein Theater mit niedrigen oder gar keinen Eintrittspreisen, das nicht nach Subventionen schielt und dennoch auf Einnahmen nicht verzichten muß. Ein Theater ohne Schauspieler - und leider auch ohne Sprechausbildung.

In dieser Gruppe macht jeder alles, was zum Auftreten nötig ist: spielen, texten, organisieren, recherchieren, diskutieren, Auto fahren, Koffer tragen, auspacken, einpacken. Ein Stück entwickelt sich mit dem Publikum: Ideen fließen da ein, die Premiere ist erste öffentliche Probe und keineswegs letztes Resultat vorangegangener Spiel- und Textgestaltung hinter verschlossenen Türen.

Hervorgegangen aus den Kämpfen gegen das Berufsverbot, hat sich die Gruppe vom anfänglichen Spielen einzelner Sketche in der Unterstützung und der Zusammenarbeit bei zahlreichen Bürgerinitiativen, (S.194) Kampagnen, Projekten der ökologischen und sozialen Widerstandsbewegung zu einem kontinuierlich spielenden Theater entwickelt.

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Von den Anfängen

Eigentlicher Vorläufer der Tornados ist eine einjährige Arbeit in einem Westberliner Jugendfreizeitheim. Eine kleine Gruppe von Studenten der Theaterwissenschaft war die konzeptionell bedingte Praxislosigkeit des Unistudiums leid und versuchte gemeinsam mit Lehrlingen und Schülern, in Rollenspielen den eigenen Alltag auf die Bühne zu bringen.

Da wurde nach der Vorlage eigener Erlebnisse das unterhaltsame Laienspiel ohne Text, Masken und Requisiten gepflegt, wo die Oma in Lederjacke auftritt, die Schuhe zu Koteletts und bei der Schlägerei die Stühle zu Brennholz werden; wo niemand weiß, wer Regisseur ist, aber alle wissen, was gespielt wird. Als die Gruppe rasch größer wurde, wuchs das Chaos der Vorführung, das Spielen wurde immer uninteressanter und mutierte zum Diskussionsabend in Männer/Frauen-Gruppen. Gelernt haben wir daraus, wieviel Spaß und wieviel Erkenntnis möglich und wie wenig Kunstfertigkeit nötig ist, um sich und anderen etwas vormachen zu können.

Die Drei Tornados haben sich nicht aus einer Wir wollen jetzt mal ein Theater machen - was wollen wir denn spielen?-Gruppe gegründet. Aus einzelnen Szenen, die während des Streiks der Westberliner Studenten gegen Berufsverbote im Wintersemester 76/77 entstanden, entwickelte sich mit unserer Bereitschaft, verschiedene Gruppen des linken Spektrums zu unterstützen, eine größere Anzahl von Nummern zu Problemen wie dem damals geplanten Kraftwerksbau in Berlin, zur Stadtsanierung, zur Fahrpreiserhöhung, zum Buback-Nachruf. Einladungen zu Stadtteilfesten oder politischen Diskussionsveranstaltungen wurden mit der Bitte versehen, zu den dort anstehenden Problemen etwas zu machen. Mit der abendfüllenden Montage all dieser Einzelstücke, deren Verbindung durch Lieder, war das Theater - bis dahin stets stark in andere Veranstaltungsformen eingebunden - als selbständiges Mittel da.

Eines der ersten Stücke, noch aus der Phase des Streiks an der Hochschule, war die OSTERINSEL. Am Vorabend einer wichtigen Abstimmung über das Weiterstreiken (weitergestreikt werden mußte, denn unsere Forderungen waren nicht erfüllt, und genügend Studenten beteiligten sich an der Durchführung des Streiks) überlegten wir, wie man die Pro-Streik-Stimmung heben konnte.

(S.195) In diesem Streik war Kreativität und Neue Kampfformen entwickeln ganz groß geschrieben, und wohl in der Euphorie der anfänglich sehr hohen Streikbeteiligung entstand in dieser Richtung manches. Es war die Zeit der Streikcafés, mit denen die Studenten in den öden Institutsgebäuden Räume für sich besetzten als Erholungsstätten, Informationsumschlagplatz und Ideenküche. Wir selber waren in dieser Stimmung dazu übergegangen, Flugblätter gemeinsam mit Negerküssen zu verteilen, damit sie beachtet wurden, wir veranstalteten zur Attraktivitätssteigerung des Streikpostenstehens Radrennen um das Institut, klapperten abends systematisch Kneipen ab, um über den Streik zu diskutieren, und einer von uns hatte schon erfolgreich angefangen, Sketche zu spielen.

Das Problem war, daß gerade auf den Vollversammlungen die unterschiedlichen Lageeinschätzungen forciert durch die Abgrenzungs- und Profilierungsneurose einiger Gruppen - das gemeinsame Handeln gefährdeten. Die Debatten dauerten sowieso immer solange, bis kaum noch eine abstimmungsreife Anzahl von Leuten da war, vielen wurde es langweilig, weil über ihre Köpfe mit penetranten Wiederholungen geredet wurde.

Also: Die Stimmung allgemein mußte gehoben werden, und die Wichtigkeit der gemeinsamen Aktion gegenüber der ziemlichen Unwichtigkeit der Gruppendifferenzen wollten wir klarstellen. Wir tranken uns ein bißchen Mut an und spielten am nächsten Tag auf der Vollversammlung von Germanistikstudenten eine Szene, deren etwa 25. Fassung, die im Laufe der Zeit nötig wurde, wir hier abdrucken: dabei sind jetzt viele damals aktuelle Bezüge durch anderes ersetzt oder gestrichen.

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DIE OSTERINSEL (mit sound)

VORSPRUCH: Wir blicken in das Jahr 2020, ein Jahr, in dem wir alle circa siebzig Jahre alt sein werden, der eine mehr, der andere weniger, und wir blicken gleichzeitig auf die Osterinseln, wo gerade der Sozialismus eingeführt wurde. Wir sehen dort zwei deutsche Emigranten, ehemalige Studenten.

(Szene: Von rechts und links bewegen sich zwei alte, tatterige Greise zur Mitte und lassen sich auf einer Bank nieder. Ihre Unterhaltung und ihr Tonfall hat einen streitsüchtigen Charakter)

A: Mann, ist das wieder eine Hitze heute. Nie Winter. Ewig diese scheiß Sonne. Ich sehne mich zurück nach Deutschland.

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(S.196) B: Da hatten wir doch auch immer so'n Mistwetter. Denk' doch mal an die feuchtkalten Winter und ewig dieser Nieselregen.

A: Ja, aber die trockene Kälte, so 'ne richtige trockene Kälte - das war gut.

B: Du, ich hab' dir hier 'nen richtigen Kaffee mitgebracht, willste einen? (schenkt ein)

A: Ja, danke. (trinkt, spuckt aus) Sag' mal, haste nicht mal 'nen andern Löslichen von Jacobs?

B: (sauer) Du mit deinem spätkapitalistischen Produktfetischismus! Was haste eigentlich gegen mich. Schon damals, als ich mit Hilde bei euch in die Wohngemeinschaft einziehen wollte, haste mich, bloß weil ich 'ne Abwaschordnung aufhängen wollte, einen Dogmatiker genannt.

A: Jajajaja, ist ja gut, aber ich hab' keine Lust mich noch weitere fünfzig Jahre darüber rumzustreiten. Spielen wir lieber Karten (mischt die Karten). Wer hat gestern gegeben?

B: Du!

A: Nee. Ich!

B: Meine Rede, Benno!

A: (teilt die Karten aus, deckt eine Karte auf und sagt) KPD ist Trumpf!

B: Hab' ich nicht, muß ich eine kaufen.

(S.197) A: (spielt aus) Nieder mit Breschnew!

B: (spielt aus) Nieder mit Ford!

A: (spielt aus) Schluß mit Aggression und Völkermord! (steckt den Stich ein) Zwanzig Augen. (Sie spielen jetzt abwechselnd ihre Karten, immer schneller.)

B: Für freie Wahl der Offiziere durch das Volk!

A: Nieder mit den Agenten des Sozialimperialismus!

B: Die will ich seh'n. (schaut auf die Karte) Na gut. Hoch lebe die Freundschaft der deutschen und der chinesischen Arbeiterklasse!

A: Kampf dem ...

B: Solidarität mit Mizzi Pichler!

A: Freiheit für Uli Knischler!

B: Uli Knischler? Knischler? Knischler? ... Na gut. Weg mit, weg mit, ....... (stutzt) Weg mit? Sag' mal, seit wann gibt's die Parole eigentlich, ist die neu?

A: Ohohohoho, das muß so '67 oder '68 gewesen sein. Da war doch mal so'n Streik an der Uni, gegen ... ähähähäh ... gegen den Hochschulgesetzrahmen.

B: Nein, das muß später gewesen sein. Das muß so 77/78 gewesen sein!

A: (erinnert sich langsam) Die Zeit, wo wir immer auf die Trödelmärkte sind. Und da hast du doch noch diesen kleinbourgeoisen Porzellanhirsch von, der jetzt bei dir in der Strohhütte zu stehen ist.

B: Genau! (Er hat inzwischen die Karten abgeworfen) Gewonnen!

A: Ooooooch! Ohne Viererbande, gespielt fünf, verlor'n zehn, mal KPD.

B: (steht auf) Ich seh' dich noch genau vor mir, wie du damals auf der Vollversammlung vor den Studenten 'ne Rede gehalten hast: (ahmt A nach) ,Wir müssen den Streik inhaltlich füllen. Und dann müssen wir den Konflikt problematisieren und erst dann, aber erst dann können wir 'ne langfristige Perspektive entwickeln.'

A: Na und? War doch gut! Ist ja nie gemacht worden! Und du hast immer einen rumerzählt vom Monopolkapital, das wir als Ganzes im Auge haben müssen. Was haste gesagt? Ich hör's, als wär's heute. (ahmt B nach) ,Der unmittelbare Produktionsprozeß des Kapitals ist ein Arbeits- und Verwertungsprooooooooo ... (spuckt)

B: Hör auf, hör auf. Wir hatten ganz konkrete ökonomische Ziele. Hundert Mark für alle, für alle ... Wie hießen noch gleich diese Empfänger?

A: BAFIG!

B: Genau, und wenn ihr euch damals auf unsere Linie gestellt hättet, dann säßen wir jetzt nicht auf der Osterinsel, vertrieben von de Eurofaschisten. Das mußte doch mal einsehen, daß ihr mit eurer (S.198) schwachbrüstigen Händehochdemokratie die ganze Bewegung aufgeweicht und aufgeläppert habt!

A: So! Den Punkt halten wir fest. Daß du das gesagt hast, das bringe ich heute ahend vor die Arbeitsgruppe Basis-Überbau.

B: Dann kannstes auch gleich sagen. Wir sind doch die Arbeitsgruppe, oder siehste sonst noch jemand hier auf der Insel.

A: (lehnt sich zurück) Det hamm wa nu von de ewigen bloßen Rumstreiterei unternander. Da sitzen wa im Alter in de Walachei. Links ne Palme. Rechts ne Palme. Und mittendrin die Arbeitsgruppe Basis-Überbau.

TUSCH und SCHLUSS

Die einmütige Reaktion der Zuschauer überraschte uns. Wir hatten schon damit gerechnet, daß einige Leute, deren emphatisch vorgetragene Parolen wir verbraten hatten - schließlich wollten wir ja auch keine Widersprüche zukitten - das Stück zum Anlaß nehmen würden, um eine schon gelaufene Diskussion wieder anzuleiern. Statt dessen war unter viel Gelächter der angestrebte Solidarisierungseffekt eingetreten, und nachdem wir unsere Trödlerhüte, Kissen unter dem Bauch und Krückstock wieder eingepackt hatten, kamen Leute der unterschiedlichsten Positionen mit konstruktiven Verbesserungsvorschlägen.

In einem gewissen thematischen Zusammenhang mit der OSTERINSEL steht ein kleines Fragment, das wir zum 10. Jahrestag des 2. Juni 1967 ausgedacht haben. Die mit preußischer Verbissenbeit getriebene Zersplitterung und gegenseitige Schwächung einer als Aktionseinheit aufgeblühten Bewegung ärgerte uns zeitweilig maßlos.

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2. JUNI 1987

(1. und 2. Wächter marschieren: rechts zwei drei und rechts zwei drei ...)

OBERWÄCHTER: Das Ganze halt. Angetreten zur Ausgabe des Tagesbefehls (Briefrausziehen): ,,Der Oberkommandierende: An die Wachsoldaten des Konzentrationslagers ,Wir sind so frei' in Lichterfelde Ost: Die Wachtruppen der BRD einschließlich WestBerlin haben den dringenden Wunsch geäußert, dem Bundeskanzler zu seinem Geburtstag eine Freude zu machen. Der Oberkommandierende hat darüber nachgedacht und befiehlt, heute am 2. Juni einundfünfzig politische Häftlinge einstweilig zu erschießen, Sie sollen proporzmäßig aus allen Gruppen ausgesucht werden. (S.199) Also 10 KBW-ler, 3 von der SEW, 10 vom KB, 10 Mitglieder von der KPD, 10 Spontis, 5 Stadtindianer und zwei Jusos. Gezeichnet der Oberkommandierende.' Hat noch irgend jemand eine Frage?

1. WÄCHTER: Ja ich. Sagten Sie nicht 51 Häftlinge?

OBERW.: Na und?

1. WÄCHTER: Aber sie haben nur 50 aufgezählt.

OBERW.: Was? 49,50 ... stimmt. Ein Punkt für Witz und Aufrichtigkeit. Ja ... dann nehmen wir noch einen rothaarigen Gewerkschaftler dazu, basta. Abtreten. Dienst antreten. Befehl ausführen.

KBW-LER: Entschuldigung.

1. WÄCHTER: Ja, was wollen Sie bitte?

KBW-LER: Ich bin beim KBW. Können Sie nicht von uns zwei mehr erschießen. Wir fühlen uns unterrepräsentiert.

1. WÄCHTER: Schön und gut was Sie sagen. Hier wird aber jeder gleich und gerecht behandelt. Hier wird keiner benachteiligt. Machen Sie 'ne Eingabe beim Kommandanten. Dann werden Sie ja sehen.

Die Szene wurde nicht gespielt, weil sie uns in ihrem Zynismus zu weit ging. Außerdem wollten wir die K-Gruppen nicht zum Hauptfeind der übrigen Linken erklären - unsere Spielerei sollte gerade spalterische Tendenzen nicht erzeugen, sondern vergackeiern. Jetzt, nachdem die historische Aufgabe der K-Gruppen erfüllt zu sein scheint, kann man darüber anderer Meinung sein.

So wie diesem Fragment ging und geht es bald der Hälfte unserer Produktion, die aus irgendwelchen - fast immer inhaltlichen Gründen - nie oder nur selten auf die Bühne kommt.

Etwa einen Monat lang spielten wir fast täglich auf studentischen Versammlungen Variationen von einer Handvoll Stückchen. Das brachte Routine und viel Verbesserung. Ganz im Gegensatz zur üblichen Praxis solcher Veranstaltungen agierten wir ohne Mikrophone, um unsere Beweglichkeit zu erhalten. Das steigerte einerseits die Aufmerksamkeit der Zuschauer, forderte andererseits unser spielerisches Engagement, klare Sprache, präzise Sätze und Gesten. Die Bereitschaft zum Zuschauen gewinnen und erhalten bei Zusammenkünften, wo wichtige Entscheidungen anstanden, die Zeit knapp und die Rednerliste voll war, wurde und wird auch heute bei unserem Spiel zu einer stetigen Herausforderung. Sie zwingt zu pointierten Aussagen, hohem Unterhaltungswert und einer gewissen Schnelligkeit in der Spielfolge. So etwas wie der Programmstil beim Zirkus mit seiner Schlagabfolge von Nummern schwebte uns vor. Der Name Drei Tornados ist in diesem Sinn programmatisch. Programmatisch auch, weil wir kein Rotes Sprachrohr (S.200) oder gar Rote Rüben sein wollten, auch wollten wir keinem Körperteil, Grips oder Birne etc., Dominanz zusprechen.

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Mit Musik geht alles besser

Nachdem wir mit drei Anti-AKW-Stückchen am 19. Feb. 1977 in Brokdorf erfolgreich Erfahrung im Straßenspiel erworben hatten (das Suchen geeigneter Bühnen, das Sammeln der Leute und Anschreien gegen den Lärm von Polizeihubschraubern verlangt einige Umstellung), und nachdem wir die Berliner Kneipenszene als weitgehend brachliegendes Feld politisch-kultureller Vergnügen ins Auge gefaßt hatten, steigerte sich mit unserem Akkordeonisten der Aussage- und Unterhaltungswert unserer Darbietungen explosionsartig. Von Lautstärke, Klang, Mobilität und Vielseitigkeit her war das Akkordeon für unsere Zwecke das einzig mögliche Instrument.

Populärste Liedform ist hierzulande nicht das Volkslied, sondern der Schlager. Mit gelegentlich schwungvollen Melodien, deren Eingängigkeit erprobt ist, wie mit dem obligaten Refrain, liefert er die ideale Basis für schnell zu erstellende, leicht aufnehmbare Texte. Wir bemühen uns stets, Umtextungen so dicht wie möglich entlang des Originaltextes zu machen, dessen ungefähre Kenntnis vorausgesetzt werden kann. Das erhöht die Einprägsamkeit und sorgt für zusätzliche Effekte des Komischen, der Ironisierung kulturindustrieller Blödheiten, wie der idyllischen Zeichnung des Alltags etc. (Beispiel: Die kleine Kneipe in unserer Straße). Außerdem gibt es Schlager, die in Stimmung und Aussage ein latentes Protestpotential haben, das mit wenigen Veränderungen ins richtige Licht gerückt werden kann.

Erster Tornado-Schlager war das Lied vom Kontaktbereichsbeamten auf die Titelmelodie der Fernsehserie Flipper. Die Kontaktbereichsbeamten, deren Vergleich mit den Blockwarten des deutschen Faschismus gerichtlich angefeindet wurde und daher sicher nicht naheliegt, werden nach Westberlin in immer mehr Städten der Bundesrepublik eingeführt. Hie und da gab es einzelne aufmüpfige Aktionen (eine Berliner Kneipe etwa prämierte in einem Wettbewerb Das beste Foto von unserem KOB eine Bildserie, in der Schulkinder einem KOB die Mütze klauen), doch nie führte unseres Wissens das verbreitete Unbehagen zu größeren, offenen Protesten. Nicht zuletzt dieser, natürlich häufig und überall zu beobachtende Widerspruch, führte zu der zwiegeteilten Textstruktur:

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(S.201) DER KONTAKTBEREICHSBULLE UND FLIPPER (mit Musik)

1 Wer geht so munter dort im Park,
wer fühlt sich hier in jeder Straße stark,
wer ist immer lustig und wer ist immer froh
und wer erfreut die Kinderherzen so?

Wer findet alles, was er sucht,
wer schlägt die Gangster in die Flucht,
wer ist zum Scherz allzeit bereit
und wer ist der Größte weit und breit?

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REFRAIN:
Das ist der Kontakt, Kontakt, Kooontakt,
Kontaktbereichsbulle,
ein jeder kennt ihn,
er wird schnell intim.

2 Wer fragt Frau Schulze, was sie trinkt,
wer fragt die Post, was sie dem Patzke bringt,
wer ist immer listig und schaut in jedes Klo,
und wer verschönert unsern Alltag so?

(S.202) Wer guckt in alle Abfallkisten,
wer jagt im Hof nach Anarchisten,
wer ist zum Kampf allzeit bereit
mit Funkgerät und Draht zur Obrigkeit?

REFRAIN:
Das ist der Kontakt, ...

3 Wer malt Parolen an die Wand,
wer hat ein Flugblatt stets in seiner Hand,
wer fährt immer schwarz, und wer gibt keine Ruh
und klebt die Fahrscheinautomaten zu?

Wer wird vom Staatsschutz schwer gesucht,
wer schlägt die Bullen in die Flucht,
wer ist zum Scherz allzeit bereit
und trinkt auf eine bess're Zeit?

REFRAIN:
Ja, das ist Flipper, Flipper, Flipper,
der Freund aller Kinder,
ein jeder kennt ihn,
den klugen Delphin.

Dieses Lied wurde mehr als alle späteren erfolgreich und taucht inzwischen an zahlreichen Orten von den verschiedensten Leuten intoniert wieder auf und schickt sich an, Bestandteil unseres Volksliedgutes zu werden.

Zum Vortrag unserer Lieder wird jeweils eine bescheidene Choreographie eingeübt. So konnten wir unserem kleinen Theater Ausdrucksformen der großen Kulturindustrie, des Musicals und der Fernsehrevue in Form von reizvoll-schlampigen Synchrontanznummern und verhunzter gogo-girl-Artistik zuschlagen. Und sicher nicht von ungefähr war mit dieser rapiden Niveausenkung eine Entwicklung eingeläutet, deren Ergebnis der Feuilletonist in der seriösen Nürnberger Zeitung vom 17.7.78 beklagen muß: ,,Mit den Drei Tornados ... trat eine für deutsche Verhältnisse typische Nonsens-Gruppe auf. Neben knallharter Gesellschaftskritik in satirischem Gewand gibt es in ihrem Programm sehr viel Klamauk und derbe Scherze. Die drei Spaßvögel aus Berlin verteilen Rundschläge in alle politischen Richtungen. Dogmatischen Linksdenkern wird in ihren Nummern ebenso der Garaus gemacht wie übereifrigen Staatsschützern. Leider überwiegen aber die Blödelstücke, in denen gelungene Ansätze zu intelligentem Polit-Kabarett (S.203) durch alberne Witzchen (,,...aber bitte mit Sahne"!) und plumpen Verbaldradikalismus zunichte gemacht werden."

Da gingen uns aber die Augen auf. Waren wir von der heimischen Presse, der gleichgeschalteten wie der spät schaltenden alternativen, bisher wohlwollend bis gar nicht behandelt worden, so fand hier ein Mutiger die rechten, harten Worte. Den Vorwurf des Verbalradikalismus steckten wir ein. Aber wer hatte schon bedacht, daß knallharte Gesellschaftskritik für deutsche Verhältnisse typischer Nonsens ist? Wir fuhren gerade mit unserem Auto am ehemaligen Nürnberger Reichsparteitagsgelände vorbei nach Haus, als uns die Einsicht kam, daß die Konsequenzen aus dieser Erkenntnis nicht mit den Mitteln unseres Theaters gezogen werden können.

Kurz seien noch zwei andere Lied-Schlager (um nicht zu sagen: schlagende Lieder) zitiert. Der erste ist eine Umtextung des Hits: Zwei Apfelsinen im Haar und an der Hüfte Bananen. Er entstand im Frühsommer 1978, als überall in den Medien über Frauen und Terrorismus gerätselt wurde, als die Verteufelung der Anwälte der Politischen Gefangenen ihren Höhepunkt erreichte.

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DIE TERRORROSITA (mit sound)

VORSPRUCH. Nachdem von den fünfzig gesuchten Terroristen bereits hundert erschossen worden sind und dreißig Neue auf den Fahndungslisten stehen - vorwiegend Frauen - singen wir jetzt das Lied von der Terrorrosita und ihrem Anwalt, so, wie es in der bürgerlichen Presse dargestellt wird:

1 Zwei Tellerminen im Haar
und an der Hüfte Granaten,
ja das ist die Welt,
die Rosita gefällt.

Sicher noch übers Jahr,
das kann man heute schon sagen,
zieht der Terror ins Feld
gegen jeden mit Geld.

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Und alle Leute in der Stadt sagen o la la la,
solche Terrorgirls wie diese, das war noch nicht da,
aus Präsidenten werden überall Leichen,
der Terror setzt Zeichen,

ROSITA IST DA!

(S.204) 2 Und zwei Kassiber im Arsch,
und in der Akte Raketen,
ja das ist die Welt,
die dem Anwalt gefällt.

Sicher noch übers Jahr,
baut er Terrorzentralen,
zieht er selber ins Land,
ein MG in der Hand.

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Und der Anwaltsverein, der sagt o la la la,
so eine starke Verteidigung war noch nie da,
und der Rechtsanwalt, der schreibt mit den Leichen,
sein Aktenzeichen,

DER TERROR IST DA!

Der zweite Schlager zur Unterstützung der linken Tageszeitung (TAZ) ist eine Neutextung nach einer Melodie, die in den USA der Anarcho-Syndikalist (IWW) Joe Hill für eines seiner Lieder benutzte. Joe Hill ist eines unserer Vorbilder. Zwecks Wirksamkeit scheute er sich nicht, seine kämpferischen Texte fast ausschließlich über populäre Melodien zu vermitteln (vgl. Joe HilIs sånger, The Complete Joe Hill Song book, Stockholm 1969).

Das spritzig-freudige Tararabumtara des Refrains untermalen wir mit Beckenschlägen, Schnarren und Tamburin. Wir wollten mal wieder dem Pessimismus und der destruktiven Kritik, die Linke bisweilen ihren eigenen Projekten gegenüber zeigen, einen euphorischen Elan entgegensetzen:

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LIED FÜR DIE LINKE TAGESZEITUNG (TAZ) - Sound
 

1 In Aachen ist 'ne Demo heut'
mit massenhaft 200 Leut'
In Peine ist ein Spontitreff
der Biermann sing im ZDF
In Frankfurt sind die Bullen dumm
in Wedel fällt 'ne Schaufel um
Die Supermächte sind bankrott
in Hamburg steht der Stromboykott

(S.205) REFRAIN:
Ta-ra-ra bum ta-ra
bald ist die Zeitung da
in der dies alles steht
das was uns selbst angeht
ein linkes Tageblatt
fürs Land und für die Stadt
das war noch niemals da
Ta-ra-ra bum ta-ra

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2 In Freiburg wird ein Haus gestürmt
da sind die Bullen schnell getürmt
die Frauengruppe Freudenstadt
hat eine Spermahank geknackt
Der KBW, der macht viel Dampf
in Deutschland tobt der Klassenkampf
Dem Filbinger streckt sich das Glied
denn Heino singt das Deutschlandlied

REFRAIN:
Ta-ra-ra ...

(S.206) 3 Der Tommi spielt in Dinkelsbühl
der Piratensender funkt in Whyl

In Detmold sind die Männer schwul
das haut in Köln die Frauen vom Stuhl
Das Bild von Scheel fällt von der Wand
der Wallraff war im Kanzleramt
Geht in der Liebe mal was schief
dann schreibst du einen Leserbrief

REFRAIN:
Ta-ra-ra...

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Für initiative Bürger und Tunixe

Wir werteten als Positives unserer Entwicklung den Umstand, eine Programmgestaltung aufbauen zu können, die im Wechsel von Konzentration und Auflockerung es ermöglichte, eine größere Menge von Szenen unterschiedlichster Thematik aneinanderzureihen. Weil wir kein Bestandteil des gängigen Kulturbetriebs werden wollen als vielmehr unterhaltsames Attribut im Rahmen politischer Bewegungen, haben wir eine grundsätzliche Abneigung gegen das Spielen bei angekündigten, reinen Kunstabenden, die ein tendenziell mehr kunstbeflissenes als an politischer Veränderung interessiertes Publikum ansprechen. Deshalb weigern wir uns bislang auch, an einem festen Ort mit gewisser Regelmäßigkeit zu spielen. Mit Vorliebe, obwohl das stets seltener der Fall ist, spielen wir ohne Ankündigung im Rahmen politischer Veranstaltungen und Aktionen oder in einschlägigen Kneipen. Unter solchen Bedingungen scheint uns dieser Programmstil ideal. Die Musik erleichtert uns die Herstellung der Aufmerksamkeit. Die Schaffung von Übergängen bringt Abwechslung, faßt Aussagen in Liedern zusammen.

Im Sommer 1977 veranstaltete die Bürgerinitiative Westtangente in Berlin ein Informationsfest, zu dem wir eingeladen wurden und ein Stück machen sollten und wollten. Premiere der daraufhin entstandenen Nummer fand auf einem Lastwagen vor dem Reichstagsgebäude statt, genau dort, wo die Autobahn einmal hin soll. Wir spielten das Stück sehr oft in Westdeutschland, weil der Vorrang des Autoverkehrs in der Stadtplanung natürlich kein Berliner Lokalproblem ist, und so wollten wir auf die Existenz dieser Bürgerinitiative hinweisen. Die BI Westtangente hat in umfangreicher Recherchearbeit die Argumente der Senatsplaner triftig widerlegt und den Autobahnbau als verkehrsplanerisch überflüssig erkannt, hat auf alternative Planungsmöglichkeiten hingewiesen (z. B. wurde ermittelt, daß der überwiegende Teil (S.207) des städtischen Verkehrs aus Kurzstreckenfahrten besteht, für die bei entsprechender Förderung das Fahrrad ideales Transportmittel ist). Obwohl die Öffentlichkeitsarbeit der BI stets gut und einfallsreich war - Fahrraddemos und alternative Stadtrundfahrtcn wurden u. a. gemacht-, steht die BI etwas im Schatten der Anti-AKW- und übriger Umweltschutzinitiativen. Der Senat ließ erkennen, daß er sich durch gute Argumente nicht von seinen Projekten abbringen läßt. Angesichts dieser Umstände kamen wir auf die Kämpfe um die Verhinderung der Inbetriebnahme des Flughafens Narita in Japan: Der fertig gebaute Flugplatz konnte nicht eingeweiht werden, weil die Gegner dieses Projekts direkt an das Flugfeld angrenzend einen Turm gebaut hatten, der den Flugbetrieb unmöglich machte. Er wurde gegen zahlreiche Angriffe erfolgreich verteidigt. In Anlehnung an dieses Vorbild entstand die folgende Szene, womit die dargestellte Einzelkämpfersituation keineswegs verherrlicht werden soll. Sie entspringt vielmehr der Personalsituation unseres Theaters und der wohl realistischen Einschätzung der geringen Verbreitung praktischen Ungehorsams hierzulande.

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DIE WESTTANGENTE

VORSPRUCH: Allerorten baut man jetzt in der Bundesrepublik Stadtautobahnen. In Berlin heißt das entsprechende Planungsprojekt Westtangente und dagegen gibt es auch eine friedliche Bürgerinitiative gleichen Namens. Wenn wir einige Jahre weiter blicken, sehen wir von rechts 19 km und von links 22 km der Stadtautobahn Doch scheitert die Einweihung an der Verbindung dieser beiden Stücke, denn dazwischen liegt nicht etwa ein kleines gallisches Dorf - wie ein paar Kecke dahinten vielleicht meinen - sondern das Haus von Opa Krummwiede, der mit seiner Schrotflinte auf dem Balkon sitzt und dafür sorgt, daß dieser Zustand auch so erhalten bleibt.

(Szene: Opa Krummwiede hat einen Teppichklopfer zur Hand und sagt zum Publikum: ,,Dies ist kein Teppichkiopfer, sondern das Gewehr und für die Gewaltfreien sei gesagt - es ist nicht geladen. Inder Mitte der Bühne steht eine Barrikade aus Koffern und Schrubbern: die Tür von Opa Krummwiedes Wohnung. - Ein gut gekleideter Herr kommt zur Barrikade und klingelt)

OPA: (springt mit angelegtem Gewehr vom Stuhl) Wer ist da?

HERR: (höflich) Guten Tag, ich bin ein Vertreter vom Bausenat. Ich wollte Ihnen ein lukratives Angebot machen, wenn Sie hier ausziehen, dann könnten Sie vielleicht.

(S.208) OPA: (springt hinter der Barrikade hervor und verprügelt mit dem Klopfer den Senatsvertreter) ... dann können Sie was erleben! Verdammter Sauhund vom Senat, Kakerlake! (zum Publikum) Kommt jede Vorstellung.

HERR: (flieht über die Bühne, jammert und weint. Er kommt in der Ecke zu einem Herrn, der in sich zusammengesunken und daumenlutschend dasitzt) Herr Dezernent, Herr Dezernent, jetzt habe ich schon zum dreizehnten Mal versucht Opa Krummwiede zu überreden. An den ist einfach nicht ranzukommen. Jedesmal kriege ich einen auf den Kopf. Versuchen Sie es doch einmal, Sie sind doch eine Autorität!

DEZERNENT: (geschmeichelt) Ja, mein lieber Freund, da muß man vielleicht mal mit etwas List und Tücke rangehen. Paß auf, ich mache dir mal was vor. (Er überlegt kurz, nimmt seinen Hut und geht zur Wohnungstür, klingelt.)

OPA: (wie vorher) Wer ist da?

DEZERNENT: (mit verstellter Stimme) Guten Tag, ich bin ein Vertreter der Bürgerinitiative Westtangente, und ich hätte gern von Ihnen eine Unterschrift gegen den Autobahnbau.

OPA: (murrend) Moment, da muß ich erst mal die Barrikade abräumen.

DEZERNENT: (geht grinsend in die Wohnung) April, April, ich bin vom Bausenat.

OPA: (zieht den Teppichklopfer) Hände hoch, hinsetzen, hab' ich Sie endlich erwischt, Sie Schwein. Sie haben mir Strom und Wasser abgestellt!

DEZERNENT: Äh, äh, entschuldigen Sie, das sind so technische Maßnahmen, die wir von Zeit zu Zeit mal durchführen müssen. Ich hab' Ihnen auch zum Ausgleich eine kleine Flasche Schnaps mitgebracht. (zieht aus seinem Mantel eine übergroße Schnapsflasche hervor) WolI'n wir einen trinken?

OPA: Das ist ja wohl das Mindeste. (holt zwei Gläser)

DEZERNENT: (schenkt ein) Prost! Herr Krummwiede.

OPA: Prost, Sie Schwein.

DEZERNENT: Noch einen? (schenkt die Gläser randvoll und schlabbert auf den Teppich)

OPA: Kleckern Sie nicht so auf meinen Teppich, wir sind hier nicht beim Senat!

DEZERNENT: Ja, beim Senat kommt alles auf den Teppich.

OPA: Unter, unter... (sie trinken beide, gurgeln)

DEZERNENT: Sagen Sie mal, Herr Krummwiede, wo klemmt's eigentlich bei Ihnen? Brauchen Sie ein bißchen Geld?

OPA: Ich bin doch nicht bestechlich!

(S.209) DEZERNENT: Oder ein kleines Häuschen im Grünen'? Mit Garten, Balkon, Hollywoodschaukel, Swimmingpool?

OPA: (spuckt dem Dezernent eine Ladung Schnaps ins Gesicht) Ich glaub' ich sagte schon, daß ich nicht bestechlich bin!

DEZERNENT: Oder vielleicht ein kleiner Sportwagen, so'n ... flotten Flitzer? (macht das Autofahren vor und bespritzt dabei mit der Flasche in der Hand den ganzen Teppich)

OPA: (brüllt) Was soll ich denn mit einem Sportwagen, wenn Sie noch nicht einmal in der Lage sind, eine Autobahn zu Ende zu bauen ... Wie heißen Sie eigentlich'?

DEZERNENT: Harry Reißbrett.

OPA: (stößt mit ihm an) Also Harry, ich heiße Erwin, und das mit der Autobahn kannste Vergessen.

DEZERNENT: (stellt die Flasche weg) Also Erwin, wo wir jetzt schon Duzfreunde sind, da kannste mich doch nicht so einfach im Stich lassen. Sieh mal an, wenn ich die Autobahn nicht bald baue, schmeißt mich der Regierende Bürgermeister raus und dann lieg' ich auf der Straße und nage am Hungertuch (weinend wirft er sich über die Bühne dem Opa in die Arme). Das kannste doch nicht wollen, daß dein bester Freund mit seiner Autobahn in der Gosse der Geschichte landet (sinkt heulend zu Boden und strampelt mit den Beinen).

OPA: Mensch Harry, mach kein Scheiß, komm mit deinem Leichnam von meinem Teppich runter, du verschandelst mir ja mit deinen Knochen die ganze Bude.

DEZERNENT: (weint immer stärker, und der Opa schlägt ihn mit dem Klopfer) Huhuhuhuhuhuhuhu ...!

OPA: Das konnt' ich doch nicht wissen, daß an der Autobahn deine ganze Karriere dranhängt. Ich dachte, es ging um was Höheres. Na, dann komm hoch, dann will ich dir mal was runterschreiben unter deinen Wisch.

DEZERNENT: (springt frisch auf) Was? Du willst unterschreiben, daß du hier rausfliegst. Hier, ich hab' gleich alles mitgebracht. Da ist der Zettel, unten mußt du unterschreiben. (Opa unterschreibt, der Dezernent steckt den Zettel ein ohne hinzusehen und verabschiedet sich freundlich) Dann Tschüs bis morgen, dann kommt der Bagger.

OPA: April, April, Herr Dezernent! (zum Publikum) Wißt ihr, was ich runtergeschrieben hab'? Bau deine Autobahn auf dem Mond!

(Der am Anfang aufgetretene Herr [einer der Drei Tornodos] springt mit der Quetsche nach vorne und singt nach der Melodie von Gunter Gabriels 30-Tonner-Diesel [mit sound])

(S.210) EINER: Er hat 'ne Null/Acht/Fünfzehn-Knarre
und er sitzt auf dem Balkon,
er kennt alle Bauvertreter,
jeden zweiten trifft er schon.
Er will sein Haus nicht räumen,
jede Stunde ist High-noon,
er macht was viele träumen,
und was wenige nur tun.

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ALLE: Er ist ein Kerl, ein ganzer Mann, er kämpft gegen - die Autobahn.

EINER: Früher war er ja ganz friedlich,
keiner Fliege tat er weh',
doch dann kam die Westtangente,
und der Friede war passé.
Er wollt' sein Haus nicht räumen,
dem Senat macht er das klar,
doch der baute trotzdem weiter,
dem Senat war das egal.

ALLE: Er ist ein Kerl, ein ganzer Mann, er kämpft gegen - die Autobahn.

ZWISCHENTEXT: Auf besonderen Wunsch der Frauengruppe Hannover-herrenhausen singen wir jetzt noch einmal für Oma Krummwiede:

ALLE: Sie ist 'ne Frau, 'ne ganze Frau,
sie kämpft gegen - den Autobahnbau!

SCHLUSS

(S.211) Wir halten es für einen produktiven Vorteil, als nicht-aktive ständige Mitarbeiter von Initiativen für sie zu arbeiten. Wir besuchen entsprechende Veranstaltungen, informieren uns, reden mit Beteiligten und machen dann unsere Stücke. Produktiv finden wir das, weil sich nach aller Erfahrung gezeigt hat, daß Leute, die in einer Initiativenarbeit vollkommen engagiert sind, nur schwer eine Distanz zu ihrer Tätigkeit finden können. Viele der Theaterversuche im Bereich von Bürgerinitiativen etc. zeichnen sich daher durch einen überfüllten, wenig strukturierten Informationsgehalt aus, durch fehlende spielerische Elemente, Ironisierungen oder erkenntnisfördernde Übertreibungen. Oft wird einfach eine gelaufene Auseinandersetzung, etwa im Stadtrat oder vor Gericht, fast wortgetreu wiedergegeben in der Erwartung, die Eigendramatik dieser Situationen werde dem Zuschauer verständlich und der Konflikt einsehbar. Das ist kaum je der Fall, statt dessen ertrinkt die Aufnahmebereitschaft in der Fakten- und Detailflut.

Weil wir uns auf einen politisch-informativen Rahmen unserer Veranstaltung beziehen, können wir einfach einen gewissen Diskussionsstand voraussetzen. Allerdings ist uns besonders an der Nachbereitung des TUNIX-Kongresses in Berlin aufgefallen, wie in der linken Szene durch ein - gelinde gesagt - unterschiedliches Verhältnis zur Theorie viele Tatbestände und Begriffsinhalte zu diffusen Leerformeln verkommen, über die kein Diskussionszusammenhang mehr hergestellt ist. Das zeigt sich deutlich am Wort Sozialismus. Von jedem anders benutzt, ist es Ausdruck aller möglichen Utopien und wird zum hohlen Ersatz für fehlende konkrete Zielvorstellung des eigenen Handelns. Die gemeinsame Verwendung des Wortes übertüncht die eklatanten Widersprüche zwischen Marxismus und Makrobiotik, die anscheinend lieber verdrängt als auf den Tisch gepackt werden. Das war der Ausgangspunkt zu unseren Sozialismus-Modellen A und B.

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SOZIALISMUS A UND B (mit sound)

SOZIALISMUS MODELL A

VORSPRUCH: Die Verhältnisse in der BRD sind noch nicht so wie wir sie uns vorstellen. Alle reden von Sozialismus, wir machen ihn ... jetzt ... hier mal vor. Wir bieten zwei Modelle zur Auswahl - zunächst zu Modell A: Aufbau des Sozialismus unter Führung einer Partei - 1979 - Agentur des ZK der KPD, Oldenburg West, morgens 6 Uhr.

(Drei Apparatschiks mit einschlägiger MEW-Literatur betreten das Büro - drei Schreibtische mit jeweils einem Telefon als Ausstattung. (S.212) 48 Stunden nach der Revolution. Pausenlose Hektik und Betriebsamkeit der Bürokraten.)

GENOSSE A: (Faust erhoben) Rot Front!

GENOSSE B: (,,,,klingeln,,,,) Rot Front!

GENOSSE C: (,,,,klingeln,,,,) Rot Front!

GENOSSEN A + B + C: (singend) Rot Front, Rot Front, Rot Froooooooont!

Sämtliche Telefone klingeln, alle nehmen Platz und gleichzeitig die Hörer und reden wie wild durcheinander, bis sich die Situation etwas entspannt, und B sich durchsetzt.

GENOSSE B: Tut mir leid, haben wir nicht, ist im Plan nicht vorgesehen.

GENOSSE C: Haben wir wirklich nicht!

GENOSSE A: Also ich weiß nicht, ob das im Plan vorgesehen ist.

GENOSSE B: (klingeln) Schrödcr, Regionalleitung-Komsomolzen-Oldenburg-West, Rot Front, Sie wünschen bitte?

GENOSSE C: (klingeln) Der Leiter des zentralen Arbeiterchores, Leiter des Bühnenarbeiterbundes, sowie Mitinitiator des antifaschistischen Schauspielerkollektivs zur Herstellung breitester Einheitsfrontkämpfe - Sie wünschen - was, wer sind Sie?????

GENOSSE A: (nimmt Hörer) Büro zur Vermittlung von überflüssig gewordenen Arbeitskräften aus kapitalismusspezifischen Berufen, Agenturen des ZK der KPD, Genosse Schockemühle, Rot Front, Sie wünschen bitte?

GENOSSE B: ... sie haben für ihre Kneipe die neuen Bierdeckel bestellt mit der Aufschrift: Sozialismus ja bitte! ja - und haben jetzt Bierdeckel bekommen mit der Aufschrift: Besiegeln wir's mit Kindlpils ...

GENOSSE C: Hahahahahaha, mein lieber Genosse, du bist mir vielleicht ein Witzbold, Straßenbaubrigade Hameln, einen Wagen Teer bestellt und eine Fuhre Mist bekommen - und jetzt willst du von mir wissen, was du tun sollst - ja denkst du denn, die Revolution spielt sich nur in den Köpfen linker Intellektueller ab, so wie bei diversen Trotzkisten, putschistischen Elementen, politischen Abenteurern und kleinbürgerlich-radikalen Theoretikern vom Schlage Adornos und Mareuses ...?!

GENOSSE A: Jawoll, gib's ihm ...

GENOSSE C: Hättest du die letzte Rede von Deng Tsiau Peng gelesen, dann wüßtest du genau, wie man aus Scheiße Bonbons machen kann ...?

GENOSSE A: (nimmt Hörer) Was, Sie waren Werbemanager - von Ihnen stammt der Spruch: ,,Sag' dem Abenteuer, daß ich komme"? (S.213) Für Sie hab' ich was, Sie kommen an die Weizenfront nach Jülich, Hammer und Sichel werden gestellt.

GENOSSE B: (hält A seinen Hörer hin) hier deine Frau ...

GENOSSE A: Mann, ich bin doch nicht da (flüsternd) ...

GENOSSE B: (spricht wie auch sonst allen Text in den Telefonhörer) der ist gerade an der Kulturfront tätig ...

GENOSSE C: ... ob der Film "Mit dem Schneebesen zum Matterhorn" noch gezeigt werden darf oder immer noch ,,Alpenglühen unter dem Dirndlrock", aber mein lieber Genosse, vor 45 Stunden hatten wir die Revolution ... ist dir noch nicht klargeworden, daß dein dümmlich-geschwollenes Gefasel der Kultur der Arbeiterklasse und der Volksmassen ins Gesicht schlägt ... (knallt den Hörer auf)

GENOSSE A: Was? - Sie waren linker Kneipenwirt und wollen jetzt wissen, ob Sie im Sozialismus Bier ausschenken dürfen? Schwierige Frage - warten Sie, ich guck' mal in die Direktive ...

GENOSSE B: ... eine Schlange vorm volkseigenen Bäckerladen? - keine Brötchen mehr da? Sie wissen nicht, was Sie den Leuten sagen sollen? - Sagen Sie den Leuten ... 'Vorwärts im Kampf' - oder dann teilen Sie die Brötchen, wozu ist denn die Ritze in den Brötchen da?????? ...

GENOSSE A: Hier hab' ich's. Zur Frage des Alkohols im Sozialismus: der Alkohol wurde in der Geschichte der Klassengesellschatten von den Herrschenden immer als Unterdrückungsinstrument eingesetzt und um die Erkenntnis der wahren Lage der verelendeten Volksmassen zu hintertreiben - im Sozialismus schädigt der Alkohol Herz, Leber, Nieren und Magen und hemmt so die Produktivkraft des sozialistischen Menschen ...

(Alle Telefone klingeln, die 3 Genossen nehmen gleichzeitig ab und sprechen lauter werdend!)

GENOSSEN A + B + C: Was, Sozialismus???
haben wir nicht ...
ist im Plan nicht vorgesehen!

SOZIALISMUS MODELL B

VORSPRUCH: Wir blicken in die Hausgemeinschaft der Highcracks of the Guggelhof, morgens 12 Uhr. Ruhige Szene mit drei Personen und einem Telefon. Alle drei beschäftigen sich mit Wolle, einer strickt unter einer Trockenhaube sitzend, einer gibt die Wolle ab, die der dritte zum Knäuel aufrollt, als das Telefon zu klingeln anfängt und nach langer Zeit einer das Telefon abnimmt. Alle bleiben sitzen das (S.214) Stück über und immer in ihre Arbeit vertieft, machen insgesamt einen ruhigen, langsamen und durch nichts zu erschütternden Eindruck. Man muß sich vor Augen halten, daß es 48 Stunden nach der Revolution ist. Jetzt geht es los:

(Telefon klingelt lange.)

HIGHCRACK A: (nimmt Hörer ab) Haaaaay!

HIGHCRACK B: (unter der Trockenhaube) War was?

HIGHCRACK A: Telefon geht wieder - war Lüchow-Danncnberg an der Strippe - Landkommune Jimmy Hendrix - der Hanf steht verdammt schlecht dieses Jahr - können nächste Woche nichts mehr liefern.

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HIGHCRACK B: Macht nichts, sehen wir fern - die Typen vom Fernsehen wollen da ein paar Rollen raussuchen vom Häuser- und Anti-AKW-Kampf - wenn sie die nicht finden, zeigen se Gott vergibt, Django nie.

HIGHCRACK C: Wenn ich mich hier auch noch mal einbringen dürfte - vor zwei Wochen war ich doch bei der Landkommune "Linke Furche". Da soll ich euch noch einen schönen Gruß ausrichten, und ob wir nicht mal einen rüberschicken könnten zum Kartoffelrausmachen, na????

(lange Pause)

HIGHCRACK A: Ist irgendwie unheimlich wichtig das Ding mit den Kartoffeln - entspricht aber momentan überhaupt nicht meinen konkreten Bedürfnissen. Willst du nicht lieber, so ganz spontan?

HIgHCRACK B: Ich bin da im Augenblick nicht drauf - hab' grad' 'ne Masche verloren ... Hey Typen (aufgeschreckt) - ich will ja kein Problem in den Raum stellen, aber wieso geht meine Haube nicht mehr, ist was mit der Energieversorgung?

(S.215) HIGHCRACK A: Windstille!

HIGHCRACK B: Na gut - trage ich meine Haare halt offen ... Aber um noch mal auf die Kartoffeln zurückzukommen - brauchen wir überhaupt Kartoffeln? Wir haben doch noch Sesambrötchen da und Ginsengmargarine und Erdnußbutter, und ich könnte auch ein unheimliches Hirseschnitzel machen, hab' ich 'n feeling für, das turnt unheimlich an, ist eine ganz heiße Kiste.

HIGHCRACK C: Du immer mit deinen Hirseschnitzel - jeden Tag Hirseschnitzel - alles was nicht aus Fleisch ist, ist doch Scheiße!

HIGHCRACK B: Verräter!!! Womöglich Rumpsteak mit Pommes und Kräuterbutter - was?!?!

(Langes Telefonklingeln ...
Highcrack A nimmt Hörer ab, bleibt stumm.)

HIGHCRACK B: Schon wieder Telefon?

HIGHCRACK A: Die Kommune aus der Fabriketage von gegenüber - die den Genscher zur Umschulung dahaben - lassen nachfragen, ob wir noch Henna dahaben und ein indisches ....... für'n Genscher.

(Alle drei springen auf und singen das Schlußlied:)

Ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
nach der neuen Welt
so wie sie mir gefällt
Ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
nach der Anarchie
denn so was gab's noch nie
Ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
ich hab' Sehnsucht
nach der Anarchie
..........................
aber bitte mit Sahne.

SCHLUSS

(S.216) Außer dem bisher angesprochenen Bereich politischer Initiativen und Diskussionen gilt unser Interesse natürlich ebenso der Veränderung der gesellschaftlich sanktionierten Formen zwischenmenschlicher Beziehungen. Als Beispiel diene die folgende Solonummer mit anschließendem Lied zum Thema Heterosexualität - nein danke. Es wird von einem Schwulen vorgetragen. Die Anregung dazu brachte der Artikel Was ist eigentlich Heterosexualität in der Lesbenfront Nr.4, 1978.

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HETERONUMMER (mit sound)

VORSPRUCH: Im Rahmen unserer Volkshochschulreihe "Ich und meine Familie" spricht zu uns heute abend Professor Doktor Caesar Adolf Windgassen nicht wie angekündigt zum Thema "Ist Gott eine Wasserstoffbombe", sondern zu einem neuen Themenkomplex, den er hier selber vorstellen möchte.

(Szene: Der Professor kommt leichtfüßig auf die Bühne, mit Aktentasche und Manuskript, beginnt zu dozieren.)

PROFESSOR: Moin! Kommilitonen und Kommilito ..., Kommilito ..., Kommilitoninnen, wir kommen heute zum Thema "sexuelle Minderheiten", und wir beginnen mit der größten Minderheit, der Gruppe der Heterosexuellen. In fast allen Fällen des zwanghaften heterosexuellen Verhaltens erweist es sich, wie die Experten aus den Vereinigten Staaten festgestellt haben, daß meist schon die Eltern unter dem Problem litten. Meine Eltern hatten nebenbei gesagt zwölf Kinder, na! die werden ja wohl nicht vom Himmel gefallen sein. Eine Geburt ohne heterosexuellen Geschlechtsverkehr wird von den Historikern in der Geschichte nur einmal belegt. In diesem Falle lebte das Kind auch nicht sehr lange und endete an einem schlichten Holzkreuz. Viele Heterosexuelle glauben fest daran, daß sie so geboren sind, weil sie schon als Babys Verlangen nach gewissen Geschlechtsmerkmalen der Mutter hatten, anstatt wie jeder normale Mensch die Milch aus der Tasse zu trinken. Heterosexuelle Paarungen werden von unserer Gesellschaft, die schon immer ein Herz für Minderheiten hatte, auch ökonomisch honoriert. Wir denken dabei an Ehestandsdarlehen, Kindergeld und Steuervergünstigungen, und so erscheint es durchaus profitabel zu sein, sich eine andersgeschlechtliche Person zu halten, die außerhalb des Geschlechtsverkehrs die Dinge des Hauses bewegt. Schwule hingegen müssen nicht nur auf finanzielle Vorteile verzichten, sondern auch ihren Abwasch alleine machen, staubsaugen und fensterputzen. Ein Grund dafür, weshalb viele Heteros sich weigern, schwul zu werden. (S.217) Will sich aber nun eine Person weiblichen Geschlechts aus ihrer heterosexuellen Beziehung lösen, so genügt es nicht einfach nur den Geschlechtsverkehr zu verweigern, nein, man benötigt dazu außerdem Schokolade. (Leise und heimlich zum Publikum verrät der Professor sein Rezept) Dem Manne täglich zwei bis drei Riegel Schokolade verabreicht, bis er nach ca. drei Wochen ruft:

(Die anderen zwei Tornados springen schlagartig hervor und singen gcmeinsam den von Trude Herr in den fünfziger Jahren gesungenen Schlager [mit sound]:)

Ich will keine Schokolade,
ich will lieber einen Mann,
ich will einen, den ich küssen
und um den Finger wickeln kann.

SCHLUSS

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Wo die Tornados spielen

Was dem bürgerlichen Mimen sein Stadttheater, einem klassischen Kabarettisten sein Kellertheater und einer arrivierten Freien Gruppe die Studiobühne im Künstlerhaus, das sind uns die Aktionszentren, Kneipen, selbstverwalteten Jugendzentren, Kinos und Kulturhäuser örtlicher Initiativen von Oldenburg bis Wien. Kleine Bastionen der Gegenöffentlichkeit und Autonomie, deren Anzahl in den letzten Jahren stark gestiegen ist und die besonders in kleineren Orten mit ihrer Arbeit öffentliche oder profit-orientierte Kultur- und Freizeitangebote weit ins Abseits stellen.

Der politisch inhomogene, landläufig und unpräzise als undogmatisch, alternativ oder schlicht als links gefaßte Bereich konkreter Projekte, Aktionen, organisatorischer Strukturen, der Knasthilfegruppe, Mieterinitiative, biologischen Gemüseladen, Tageszeitung usw. umfaßt, ist ein beständig wachsender. Rolf Schwendter, brillantester Theoretiker der Subkultur, sieht in der Vernetzung solcher Projekte bereits ein kommendes Organisationsmodell, das die klassische politische Organisation in der hierarchisch strukturierten Partei ablöst. Er leitet diese Erwartung aus einer konstatierten Wandlung der herrschenden Produktionsweise von einer mechanischen zur elektronisch-kybernetischen ab. Während die erste hierarchisch sei, zeichne sich die zweite durch "Ausdehnung, Dezentralisation, Teamarbeit, Projektorientiertheit" sowie "stärkere Ausbreitung von Kopfarbeit ... und Herstellung einer praktischen Totalität der Produktion" aus, was die politischen Organisationsformen beeinflussen werde (vgl. Vorwort im Westberliner Stattbuch, 1978).

(S.218) Parteipolitisch nicht organisiert (was punktuelle Gemeinsamkeiten mit Parteien nicht ausschließt), spielen wir zur Unterstützung von Kampagnen, bei Solidaritäts- und Informationsveranstaltungen vorwiegend im sogenannten undogmatischen Linksspektrum. Im Laufe der letzten Jahre hat sich ergeben, daß kaum mehr eine linke politische Veranstaltung ohne Kulturprogrnmm abläuft. Dieser Tendenz ist es zuzuschreiben, daß die Tornados gegenwärtig ca. alle vierzehn Tage in einer Region der Bundesrepublik bzw. in West-Berlin, am Wochenende, zu drei bis vier Auftritten fahren. Seit den Anfängen hat sich das Theater aber auch mit einer gewissen Eigendynamik als selbständige Vorführung entwickelt, sodaß inzwischen die Zahl der reinen Tornadogastspiele in den genannten Institutionen beträchtlich ist. Gelegentlich kommen auch Einladungen zu Folk-, Liedermacher oder Theaterfestivals, die wir hin und wieder annehmen.

Mit zunehmendem Bekanntheitsgrad entwickelt sich natürlich auch eine Erwartungshaltung, die das Theater quasi auf einen Tornndo-Stil festlegen will, was gelegentlich stört, wenn es uns z.B. den Mut oder gar schon die Phantasie nimmt, andere Inhalte über andere Formen hervorzubringen. Manches Mal entdecken wir auch die Tendenz, zum Pausenclown für linke Feste und Veranstaltungen abgewirtschaftet oder für irgendwelche Interessen bloß funktionalisiert bzw. mißbraucht zu werden. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn wir etwa entdecken, auf einem kommerziellen, vom CSU-Bürgermeister mit Grußwort bedachten und von McDonalds werbewirksam bezuschußten Folkfestival unter der zynisch dem Marketing-Konzept der Veranstaltung beigeordneten Rubrik Antirepression zu fungieren (geschehen in Würzburg), das ist auch der Fall bei manchen linken Sponsor-Fêten.

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Auf der Suche nach aktualisierbaren Spielformen

Unter den gegenwärtigen Bedingungen sind wir selbstverständlich nicht in der Lage, auf alle Initiativen, für die wir spielen, mit entsprechenden Szenen einzugehen. Das häufige Spielen offenbart hier seine Nachteile. Da wir ja immerhin nur nebenberuflich Tornados sind, ist die eingeräumte Zeit (Planung, Stückentwurf, Proben, Fahrtzeit etc.) nicht mehr zu erweitern - professionalisieren wollen wir uns nicht, weil dann die Arbeit Gefahr läuft, durch Ökonomie- und Erfolgszwang uns außer Kontrolle zu geraten. So bleibt wenig Zeit für Recherchen, ohne die Stücke oberflächlich werden.

Um kleinere Aktualisierungen einbringen zu können, verfügen wir über einige Stückstrukturen, die neben der Modifizierung durch zusätzliche (S.219) Zwischentexte uns relativ rasche inhaltliche Änderungen erlauben. Da ist vor allem die Persiflage der ARD-Tagesschau, die durch den Austausch von Meldung und Kommentar/Filmbericht, umrahmt von festgelegten Heiterkeitseinlagen variiert wird. Zwei Beispiele, das erste entstanden im Herbst 1977, als die Polizei im Namen der inneren Sicherheit Reisende mit MP-Kontrollen verunsicherte und dabei oft auf tiefstes Verständnis der Betroffenen stieß; so geschehen, als ein Zug in der Nähe von Hannover auf offener Strecke zu Kontrollzwecken gestoppt wurde. Unsere Meldung dazu:

"Im Zuge der Fahndung nach Terroristen hat die Polizei im Luftraum über Dinkelsbühl eine Linienmaschine der deutschen Lufthansa im freien Flug angehalten. Die Passagiere wurden gebeten, das Flugzeug einzeln zu verlassen, was zu erheblichen Verzögerungen bei der anschließenden erkennungsdienstlichen Behandlung am Boden führte. In den Abendstunden konnte das Wrack seinen Flug fortsetzen.

Der Hosenstall-Erlaß im Prozeß gegen Croissant war Anlaß zu folgender Meldung:

"In Stammheim ist heute der Prozeß gegen Terroranwalt Croissant flott vorangegangen. Nachdem sich die Vertrauensanwälte einer Verfügung des Gerichts gebeugt hatten und vorschriftsmäßig nackt im Gerichtssaal erschienen waren, wurden sie anschließend von Saalordnern als Flitzer verhaftet."

Rasche Änderungen größeren Ausmaßes konnten wir mit den von Glaßbrenner übernommenen Figuren der politisierenden Eckensteher NANTE und ZEISIG vornehmen. Zeisig trifft Nante auf der Straße, der ihm aus der Zeitung Meldungen vorliest über die ein Gespräch entsteht, im Wechsel von derb-pragmatischer und valentinesker Logik. In einem Anti-Kraftwerk-Stück benutzten wir die Meldungen über einen verschwundenen Lottoschein und eine Flugzeugkatastrophe.

WAHRSCHEINLICHKEIT

ZEISIG: Tag.

NANTE: Mahlzeit.

ZEISIG: Frohe Ostern und dicke Eier wünsche ich gehabt zu haben.

NANTE: Also das mit den Eiern hab' ich nicht gehört, aber das mit dem frohen Ostern klingt mir noch dankbar im Ohr. Guck mal hier, (S.220) inne Zeitung inseriert einer, will ne andere Wohnung, seine is wohl zu eng. 'Gelegenheit für Zigarettenraucher: Camel-Zigarette mit Filter wegen Platzmangel abzugeben'. Oder hier, hier is'n Job für Dich drin: 'Alter Reserveoffizier, der gut singen kann, zum Fotografieren von Anarchisten gesucht.'

ZEISIG: Ich war doch bloß Gefreiter, aber warum wollen die denn die Anarchisten fotografieren, inne Linkspresse behaupten se doch immer, dasse sowieso in de Isolationsfolter kaputtgemacht werden.

NANTE: Na is' doch klar, die machen zwei Photos, eins vorher, eins nachher. Mist, jetzt bin ich doch wieder inne Hundescheiße getreten, verflucht noch mal, müssen die denn immer in unsere Ecke kacken? Wie hoch ist eigentlich die Wahrscheinlichkeit, daß ich in Zukunft nich' inne Hundescheiße tret'.

ZEISIG: Jaja, sehr, sehr groß!

NANTE: Daß ich nich inne Hundescheiße trete, hab' ich gesagt.

ZEISIG: Jaja, ich sag' doch: sehr groß.

NANTE: Erklär Dich doch mal näher.

ZEISIG: Also neulich hatte doch mal 'ne Frau in Hamburg sechs Richtige im Lotto, und dann war der Schein inne Zentrale weg. Die Wahrscheinlichkeit, daß so was passiert, ist 1 zu 6 Millionen, d. h. das kommt theoretisch alle 4200 Jahre mal vor. Also kannste Dir vorstellen, das muß dann so im Jahre 2223 vor Christus das letztemal passiert sein, das war so die Zeit, wo se die Lottozahlen noch mit de Keilschrift in'n Lottoblock gehauen haben.

NANTE: Seit wann kannste denn mit vierstelligen Zahlen rechnen?

ZEISIG: Volkshochschule Neukölln sag' ich nur. Un' beim Flugzeugunglück in Teneriffa, weißt doch, PanAm gegen KLM, war die Wahrscheinlichkeit 1 zu 7 Millionen.

NANTE: Was hat das mit meiner Hundescheiße zu tun?

ZEISIG: Warte doch 'nen Moment. Die Wahrscheinlichkeit, daß 'n Atomkraftwerk inne Luft geht, is' nur 1 zu 3 Millionen, also wesentlich günstiger, als daß Dein Lottoschein inne Zentrale wegkommt. Un' die Wahrscheinlichkeit, daß das Kraftwerk Spandau die Luft verpestet, is' so groß wie der Abstieg von Tennis Borussia. Na, und das wer'n die Köter nich' überleben. Da geh'n die sensiblen Tierchen alle ein, und Du wirst mit Sicherheit nich' mehr inne Hundescheiße treten.

NANTE: Na, da kann ich ja nur hoffen, daß se bald mit dem Bau anfangen. Der Strom wird dann zwar teurer, die Arbeitsplätze werden weniger, un' dicke Luft kriegen wir auch, aber die Köter krepieren. Da kann ich nur sagen: Hunde, wollt ihr ewig leben!

SCHLUSS

(S.221) Dieses Muster, vor allem im ersten Jahr benutzt, ermöglicht allerdings nur begrenzt, eine vorgegebene Situation auch spielerisch sinnfällig zu machen. Vertreter verschiedener Positionen können bestenfalls aus der Sicht Nantes und Zeisigs imitiert werden (darin liegt gewiß eine Fülle reizvoller Möglichkeiten), nicht aber direkt erscheinen.

Ganz klar: das Repertoire an ständig und für unterschiedlichste Zwecke aktualisierbaren Spiel- und Figurengerüsten müssen wir entschieden erweitern, wenn wir unsere Veranstaltungen immer situationsbezogen durchführen wollen, statt zu einem Tourneetheater abzusacken, das pekuniär-verwertungsbezogen jährlich sein Programm erneuert.

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Wandertheater auf dem Weg zum Politischen Varieté?

Zwar ist es unter Umständen ein Nachteil, wenn wir zu einem veranstaltungsbezogenen Thema am Spielort keine hinreichenden Kommentare liefern können. Doch der Vorteil des Auftretens in den verschiedensten Orten liegt in dem Mitteilungseffekt über Initiativen, auf die wir hinweisen. Hier liegt die Chance einer sinnvollen Weiterentwicklung unserer Arbeit. Weil wir an vielen Projekten allerorten teilnehmen oder davon erfahren, haben wir die Möglichkeit, dieses Wissen bei unseren Auftritten weiterzugeben. Dem so gedachten Konzept einer lebenden Zeitung müssen noch viele Formen und Ideen zugeschlagen werden.

Also: Kein Theater mit Anspruch auf Kunst und Dauer, vielmehr eins, das mitteilt und kommentiert, das genossen und weggelegt wird.

Als Ideal für diese lustvolle Gegenzeitung träumen wir von einem linken Varieté, einer Neubelebung dieser vom Fernsehen an die Wand gespielten Unterhaltungsform mit seinem Variationsreichtum, mit seiner hohen Austauschbarkeit von Nummern. Schon wächst die Zahl der Kabarettisten und Musiker, der politisierenden Clowns und Zauberer, deren Zusammenarbeit ein solches Projekt möglich werden läßt. Am Publikum fehlt es bestimmt nicht.

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